In unmittelbarer Nähe zum Judentum
Besuch einer außergewöhnlichen Lesung
Am 12. Februar 2019 waren wir mit über 20 Schülerinnen und Schülern in Begleitung einiger Lehrkräfte bei einer Veranstaltung mit dem ehemaligen Landesrabbiner von Württemberg Joel Berger. Sie fand statt im schönen und an diesem Abend bis auf den letzten Platz gefüllten Florian-Waldeck-Saal im Zeughaus in den Reiss-Engelhorn-Museen. Wir saßen dank der frühen Vermittlung der Schulleitung alle auf reservierten Plätzen, ziemlich weit vorne mit sehr guter Sicht.
Berger, der sich im interreligiösen Dialog große Verdienste erworben hat, ist in Deutschland vor allem bekannt geworden durch seine vielen Rundfunkbeiträge, in denen er das jüdische Leben und Denken in immer neuen Anläufen nahezubringen versucht, und zwar mit einer charismatischen Stimme, die allen Hörern sofort auffällt. Deshalb sind wohl auch so viele gekommen an diesem Dienstagabend. In seiner Lesung in Mannheim stellte der gebürtige Ungar, der in Deutschland nach verschiedenen Stationen dann vor allem in Stuttgart zu Hause war, ausgewählte Passagen aus seinen Lebenserinnerungen vor. Sie tragen den Titel: „Der Mann mit dem Hut“. Er erzählte Geschichten aus seinem bewegten Leben, verteilt über die Jahrzehnte bis 1985. Als Moderator sorgte Raimund Gründler von der Mannheimer Literaturinitiative LeseZeichen für fließende Übergänge zwischen den einzelnen Episoden aus unterschiedlichen Zeiten, so dass man den inneren Zusammenhang der autobiografischen Erzählungen leichter nachvollziehen konnte.
Am interessantesten und zugleich anrührend war Bergers Erzählung über Papst Johannes Paul II., wie dieser bei seinem Deutschlandbesuch in Mainz 1980 einem polnischen Landsmann begegnet und gleichsam ausgestiegen ist aus seinem ihm vorgegebenen Protokoll, um, während er noch in der Menge badete, wirklich auf ihn als Einzelnen einzugehen aus purer Freude, ihn nach einer sehr langen Zeit wiedersehen zu dürfen. Dieser Mann, der in 16 Konzentrationslagern inhaftiert gewesen war, zuletzt in Buchenwald, stammte aus demselben Ort wie der Papst. Sie waren in ihrer Kindheit direkte Nachbarn. Berger erzählte also von folgender Begebenheit: „Als nun der Papst vor ihm Halt machte, trat Spokojny aus der Reihe, ging auf Johannes Paul zu, sagte ‚Karol‘ zu ihm und haute ihm freundschaftlich auf den Rücken. Er: ‚Julius? Julius, mein Gott, du lebst!‘ Die beiden fielen sich in die Arme und sprachen polnisch aufeinander ein. Die Bischöfe erstarrten […] Das ist das Ende der Kirche, die Juden vereinnahmen den Papst! Ich stand direkt dabei und hörte die beiden reden und reden. Familiennamen fielen und die beiden umarmten sich immer wieder und wieder. Nach längerer Zeit schrak der Papst zusammen und sagte: ‚Julius, ich muss weiter.‘“
Bewegend waren aber auch die früheren Geschichten, etwa über Bergers jüdische Familie, seine Mutter im Besonderen, die in der Budapester Niederlassung von Mercedes-Benz als Büroleiterin des deutschen Direktors angestellt war. Aufschlussreich für uns Schülerinnen und Schüler waren dann vor allem aber die ebenfalls in seine Kindheit fallenden Geschichten über das rege jüdische Leben in Budapest, die nationalsozialistische Verfolgung und den Völkermord an den Juden, die direkt sich anschließende kommunistische Zeit der Unterdrückung und über seine spätere Flucht aus Ungarn 1968.
In der an die eigentliche Lesung sich anschließenden Diskussion fiel eine Frau auf, die zunächst vorgab, eine Frage zu stellen, sich dann aber zu fremdenfeindlichen Aussagen verstieg. Interessant war in diesem Moment, wie jeder irgendwie gespannt darauf war zu sehen, wie die Gesellschaft mit solchen Leuten umgeht. Der Moderator hat das Ganze dann elegant umgebogen und direkt auch unterbunden.
Für uns alle vom UGM war es ein außergewöhnlicher, gewinnbringender Abend mit einem der großen Repräsentanten des Judentums in unserer Zeit.
Marina Schmidl, Klasse 8c / Bernd Claret
Berger, der sich im interreligiösen Dialog große Verdienste erworben hat, ist in Deutschland vor allem bekannt geworden durch seine vielen Rundfunkbeiträge, in denen er das jüdische Leben und Denken in immer neuen Anläufen nahezubringen versucht, und zwar mit einer charismatischen Stimme, die allen Hörern sofort auffällt. Deshalb sind wohl auch so viele gekommen an diesem Dienstagabend. In seiner Lesung in Mannheim stellte der gebürtige Ungar, der in Deutschland nach verschiedenen Stationen dann vor allem in Stuttgart zu Hause war, ausgewählte Passagen aus seinen Lebenserinnerungen vor. Sie tragen den Titel: „Der Mann mit dem Hut“. Er erzählte Geschichten aus seinem bewegten Leben, verteilt über die Jahrzehnte bis 1985. Als Moderator sorgte Raimund Gründler von der Mannheimer Literaturinitiative LeseZeichen für fließende Übergänge zwischen den einzelnen Episoden aus unterschiedlichen Zeiten, so dass man den inneren Zusammenhang der autobiografischen Erzählungen leichter nachvollziehen konnte.
Am interessantesten und zugleich anrührend war Bergers Erzählung über Papst Johannes Paul II., wie dieser bei seinem Deutschlandbesuch in Mainz 1980 einem polnischen Landsmann begegnet und gleichsam ausgestiegen ist aus seinem ihm vorgegebenen Protokoll, um, während er noch in der Menge badete, wirklich auf ihn als Einzelnen einzugehen aus purer Freude, ihn nach einer sehr langen Zeit wiedersehen zu dürfen. Dieser Mann, der in 16 Konzentrationslagern inhaftiert gewesen war, zuletzt in Buchenwald, stammte aus demselben Ort wie der Papst. Sie waren in ihrer Kindheit direkte Nachbarn. Berger erzählte also von folgender Begebenheit: „Als nun der Papst vor ihm Halt machte, trat Spokojny aus der Reihe, ging auf Johannes Paul zu, sagte ‚Karol‘ zu ihm und haute ihm freundschaftlich auf den Rücken. Er: ‚Julius? Julius, mein Gott, du lebst!‘ Die beiden fielen sich in die Arme und sprachen polnisch aufeinander ein. Die Bischöfe erstarrten […] Das ist das Ende der Kirche, die Juden vereinnahmen den Papst! Ich stand direkt dabei und hörte die beiden reden und reden. Familiennamen fielen und die beiden umarmten sich immer wieder und wieder. Nach längerer Zeit schrak der Papst zusammen und sagte: ‚Julius, ich muss weiter.‘“
Bewegend waren aber auch die früheren Geschichten, etwa über Bergers jüdische Familie, seine Mutter im Besonderen, die in der Budapester Niederlassung von Mercedes-Benz als Büroleiterin des deutschen Direktors angestellt war. Aufschlussreich für uns Schülerinnen und Schüler waren dann vor allem aber die ebenfalls in seine Kindheit fallenden Geschichten über das rege jüdische Leben in Budapest, die nationalsozialistische Verfolgung und den Völkermord an den Juden, die direkt sich anschließende kommunistische Zeit der Unterdrückung und über seine spätere Flucht aus Ungarn 1968.
In der an die eigentliche Lesung sich anschließenden Diskussion fiel eine Frau auf, die zunächst vorgab, eine Frage zu stellen, sich dann aber zu fremdenfeindlichen Aussagen verstieg. Interessant war in diesem Moment, wie jeder irgendwie gespannt darauf war zu sehen, wie die Gesellschaft mit solchen Leuten umgeht. Der Moderator hat das Ganze dann elegant umgebogen und direkt auch unterbunden.
Für uns alle vom UGM war es ein außergewöhnlicher, gewinnbringender Abend mit einem der großen Repräsentanten des Judentums in unserer Zeit.
Marina Schmidl, Klasse 8c / Bernd Claret